„Civil War“: Ein Film über Bürgerkrieg, jedoch ohne Politik und sozialen Kontext

Kirsten Dunst als Photojournalistin Lee Smith in “Civil War” [Photo: A24]

„Civil War“ ist ein Actionfilm der A24-Studios, der in der nahen Zukunft eines Amerikas spielt, das sich in einem anhaltenden internen Krieg zwischen der Bundesregierung, mehreren Bundesstaaten und rivalisierenden Milizen befindet.

Das nominelle Thema des Films - die Vereinigten Staaten in der letzten Phase eines Bürgerkriegs, der die Gesellschaft an den Rand der Barbarei bringt - ist eindeutig interessant und von großer Relevanz. Der Film erscheint mitten im Wahlkampf 2024 und gut drei Jahre nach dem faschistischen Putsch vom 6. Januar 2021. Damals hat der amtierende Präsident versucht, seine verlorene Wahl zu annullieren und die Machtübergabe zu verhindern.

Dies ist zweifellos der Grund für das große öffentliche Interesse an diesem Film. Mit einem geschätzten Einspielergebnis von 25,7 Millionen US-Dollar war „Civil War“ am vergangenen Wochenende der erfolgreichste Film an den nordamerikanischen Kinokassen und übertraf „Godzilla x Kong“.

Allerdings liefert „Civil War“ letztlich keine Erklärung für irgendetwas. Er versucht sogar, aus der Not eine Tugend zu machen, indem er es gar nicht erst versucht.

Im Mittelpunkt des Films stehen die Reise und die inneren Kämpfe einer Handvoll Reporter und Fotojournalisten, die sich auf den Weg von New York City zum belagerten Weißen Haus machen, um die letzten Worte und das „finale Foto“ des scheidenden Diktators aufzunehmen.

In „Civil War“ spielt Kirsten Dunst die Rolle der Fotojournalistin Lee Smith, und Wagner Moura verkörpert Lees Reporterkollegen Joel. Cailee Spaeny spielt Jessie Cullen, eine junge Fotojournalistin, die die von Dunst dargestellte Figur vergöttert. Der exzellente Charakterdarsteller Stephen McKinley Henderson rundet die Hauptbesetzung als Sammy ab, der einer der wenigen verbliebenen Journalisten bei der New York Times ist.

Auf ihrer Reise werden die Journalisten mit ihren Pressehelmen, Schutzwesten und teuren Kameras Zeugen und Fotografen von Hinrichtungen im Schnellverfahren, Folter, Feuergefechten und anderer Gewalt. In den ersten zwei Dritteln des Films fotografiert Dunst eiskalt das Gemetzel, während ihr aufstrebender Schützling Jessie, die sich offenbar noch an ihre Menschlichkeit klammert, zusammenbricht und weint. Im letzten Drittel des Films tauschen die beiden die Rollen, bevor es zum tödlichen und zutiefst unbefriedigenden Schluss kommt.

Nick Offerman, berühmt für seine Rolle eines misanthropischen libertären Bürokraten in der Comedy-Fernsehserie „Parks and Recreation“, hat nur wenige Minuten Bildschirmzeit als namenloser Präsident der Vereinigten Staaten. Seine politischen Beweggründe, seine Politik und seine Parteizugehörigkeit sind nicht bekannt, auch wenn seine Figur vage an Trump erinnert; er soll für eine dritte Amtszeit kandidiert haben (was gegen die US-Verfassung verstoßen würde). Am Rande wird erwähnt, dass er bereit ist, seine eigenen Leute zu bombardieren, Journalisten auf dem Südrasen des Weißen Hauses zu exekutieren und das FBI aufzulösen (offenbar etwas, das man angeblich ablehnen soll).

Ein weiterer bemerkenswerter Auftritt im Film ist der von Jesse Plemons, der als rassistischer und nervtötender Milizionär mit rosaroter Brille und einem M-16 einen Auftritt ohne Namensnennung hat. In seiner einzigen Szene verhört Plemons die Journalisten auf bedrohliche Art und Weise, indem er jeden von ihnen mit potenziell tödlichen Folgen fragt: „Was für ein Amerikaner sind denn Sie?“

Geschrieben und inszeniert wurde der Film vom britischen Autor, Drehbuchautor und Regisseur Alex Garland. Zu seinen bisherigen schriftstellerischen Leistungen gehören der packende Zombiefilm „28 Days Later“ (2002) und der brutale „Dredd“ (2012). Im Jahr 2015 gab Garland sein Regiedebüt mit dem interessanten Science-Fiction-Thriller „Ex Machina“. In diesem Film geht es um einen Computerprogrammierer, seinen rechtsgerichteten milliardenschweren Boss und die lebensechten und intelligenten Roboter, die das Unternehmen erschaffen hat.

In Interviews sagte Garland, er habe das Drehbuch zu „Civil War“ vor Trumps gescheitertem Staatsstreich vom 6. Januar 2021 fertiggestellt. Und obwohl der Film gelegentlich Bilder von Demonstranten und Bereitschaftspolizisten zeigt, die sich in den Straßen prügeln (bis eine Bombenexplosion die Szene unterbricht), ist das Auffälligste an ihm, was er nicht tut: Es versucht auf keine Weise, die politischen, sozialen und historischen Umstände zu thematisieren, die zu dem Bürgerkrieg geführt haben, um den es in dem Film geht.

In einem Interview mit der New York Times, das am Wochenende veröffentlicht wurde, erklärt Garland: „Ich denke, der Bürgerkrieg ist nur die Erweiterung einer Situation ... Diese Situation ist die Polarisierung und das Fehlen von begrenzenden Kräften für die Polarisierung.“ Über die Ursachen der Polarisierung und die Gründe, warum es keine Grenzen dafür gibt, schweigt er sich aus. Über solche Fragen denkt er offenbar überhaupt nicht nach, genau so wenig wie seine Interviewpartner.

Wagner Moura als Joel und Cailee Spaeny als Jessie Cullen in "Civil War" [Photo: A24]

„Civil War“ bietet eine Reihe von Bildern, die zeigen, wie brutale Gewalt ausbricht, und zwar nicht in einem fernen Land, sondern in den Vereinigten Staaten, in den Straßen ihrer Großstädte, den grünen Vorstadtvierteln und den scheinbar ruhigen ländlichen Gebieten. Aber es gibt kein „Warum“, nicht einmal einen Hinweis auf die Motive der Beteiligten, geschweige denn das grundlegendere „Warum“, nämlich die Untersuchung der gesellschaftlichen Kräfte, welche die Motive in den Köpfen der Männer und Frauen hervorbringen.

In einer Szene, in der es um einen Scharfschützen und zwei Soldaten geht, die dieser festgesetzt hat, fragt Joel die Soldaten, auf welcher Seite sie stehen und für welche Seite der Scharfschütze kämpft. Garland erzählt die Sequenz im Rahmen seines Times-Interviews und zitiert dabei aus dem von ihm geschriebenen Dialog.

Ein Soldat antwortet auf die Frage, auf welcher Seite sie stehen: „Du verstehst kein Wort von dem, was ich sage.“ Er wendet sich an Jessie: „Yo. Was ist da drüben in dem Haus?“ Jessie antwortet: „Jemand schießt.“ Mit dieser Antwort ist der Soldat zufrieden.

Garland fährt mit seiner eigenen Stimme fort: „Es hat damit zu tun, dass, wenn die Dinge extrem werden, die Gründe, warum die Dinge extrem wurden, nicht mehr relevant sind. Relevant bleibt nur noch die Messerschneide des Problems. In diesem Zusammenhang ist es dann sozusagen egal, für welche Seite man kämpft oder wofür der andere kämpft. Es geht nur noch ums Überleben.“

Hier ist buchstäblich Gedankenlosigkeit die beabsichtigte Wirkung.

Im Laufe des Films erklärt Dunsts Figur, sie habe den Amerikanern Fotos von Konflikten in Übersee vorgelegt, um ihnen zu sagen: Tut sowas nicht. Garland vertritt offensichtlich die gleiche Haltung für den gesamten Film: „Es darf keinen Bürgerkrieg geben, denn das wäre schrecklich.“ Doch ohne eine Auseinandersetzung mit den Ursachen hat eine solche Warnung, so gut sie auch gemeint sein mag, keine Substanz.

Auch die Weigerung, Partei zu ergreifen, oder die Darstellung beider Seiten als im Wesentlichen gleichwertig, dient keinem künstlerischen oder sonstigen Zweck. Im Gegensatz zu Garlands Ansicht geht es bei einem Bürgerkrieg nicht nur darum, dass Menschen nicht in der Lage sind, ihre Meinungsverschiedenheiten zu kontrollieren. Damit sich die Gesellschaft in kriegerische Lager spaltet, muss es tiefer liegende Ursachen geben, und der Filmemacher kommt nicht umhin, dazu Stellung zu nehmen.

Man stelle sich vor, jemand würde den amerikanischen Bürgerkrieg von 1861-1865 darstellen, ohne zur Sklaverei Stellung zu beziehen. Es gäbe zwar viel Blutvergießen, aber das Ganze wäre nur ein sinnloses Gemetzel. Eine solche Haltung würde letztlich in einer Beschreibung des Konflikts als „Krieg zwischen den Staaten“ enden, wie ihn die Apologeten der Konföderation bezeichnet haben, in dem es kein historisches Recht und keine moralische Überlegenheit gab, die von Lincoln und den Unionstruppen eingenommen wurde. Die vermeintliche Neutralität würde in Wirklichkeit eine Pro-Konföderierten-Position verschleiern.

Nick Offerman als Präsident der Vereinigten Staaten in „Civil War“ [Photo: A24]

Garlands Film hat so viele Löcher in der Handlung, dass er selbst mehr Loch als Handlung ist.

Es gibt keine Erklärung dafür, warum die „Western Forces“, die sich offenbar aus Texanern und Kaliforniern aller Hautfarben und Klassen zusammensetzen, beschlossen haben, gegen die US-Regierung zu den Waffen zu greifen. Es gibt auch keine Erklärung für die anderen Fraktionen, die im Film kurz erwähnt werden, darunter die „Florida Alliance“, der mehrere Südstaaten angehören, und die „New People's Army“, die aus mehreren Staaten im pazifischen Nordwesten besteht. Offenbar gibt es „loyalistische“ Gebiete, die sich über den Mittleren Westen und nach Neuengland erstrecken. Aber warum bleibt der Präsident dann in Washington, anstatt sich in ein sichereres Gebiet zurückzuziehen?

In einer Szene lehnt ein Tankstellenbetreiber amerikanische Dollars als wertlos ab, nimmt aber eifrig kanadische Scheine an. Ein Bürgerkrieg, der in den Vereinigten Staaten tobt, hat also offensichtlich keine nennenswerten Auswirkungen auf den nördlichen Nachbarn. Dies ist nur die offensichtlichste geopolitische Absurdität in der Darstellung eines amerikanischen Bürgerkriegs - im 21. Jahrhundert - als rein nationales Ereignis!

Die Weigerung, sich für eine Seite zu entscheiden oder auch nur eine kohärente Beschreibung der Seiten zu liefern, mag, wie Garland sagt, eine künstlerische Entscheidung gewesen sein, wie fehlgeleitet auch immer. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass die Produzenten und Verleiher dies aus anderen, weitaus geldgierigeren Gründen entschieden haben. Schließlich will man keinen Film machen, der einen Teil des Publikums, das ins Kino geht und Karten kauft, verprellen könnte.

Diese unglückliche Schlussfolgerung wird noch verstärkt, wenn eine Figur im Film sagt, dass Lee Smith (Dunst) sich zuerst mit Fotos des „Antifa-Massakers“ einen Namen gemacht habe. Der Hinweis ist so absichtlich elliptisch, dass der Zuschauer nicht weiß, ob es sich um ein von der „Antifa“ verübtes Massaker handelt oder ob die Antifaschisten selbst von faschistischen Elementen getötet wurden.

Entscheidend ist, dass der Film nicht den geringsten Hinweis auf die Rolle gibt, die der riesige amerikanische Militärapparat im Bürgerkrieg spielt. Dieser wird größtenteils mit Handfeuerwaffen und tragbaren Raketenwerfern ausgetragen, zu denen später noch Jeeps und Hubschrauber hinzukommen. Keine Artillerie, keine Marschflugkörper, keine Luftkämpfe und natürlich auch keine Atomwaffen.

Im Gegensatz zu dem ausgezeichneten amerikanischen Film „Seven Days in May“ von 1964, der einen Militärputsch in den USA schildert, geht „Civil War“ nicht auf die entscheidende Rolle ein, die das US-Militär bei der Unterstützung einer Diktatur in den USA spielen würde.

Wie die World Socialist Web Site bereits analysiert hat, ging die Hauptgefahr bei Trumps gescheitertem Putsch 2021 nicht von den wenigen Tausend Faschisten aus, die seinem Aufruf zum Angriff auf das Kapitol folgten, sondern von den Institutionen des kapitalistischen Staates selbst, einschließlich des Pentagons, das sich 199 Minuten lang weigerte, Truppen der Nationalgarde gegen die Angreifer vom 6. Januar einzusetzen.

Anstelle einer ernsthaften Untersuchung darüber, wie demokratische Herrschaftsformen in den Vereinigten Staaten zusammenbrechen können - was aktuell eine reale Gefahr darstellt! - wechselt der Film zwischen angespannten Momenten extremer oder potenzieller Gewalt, gefolgt von Reiseszenen zur Begleitung von Popsongs und Diskussionen über die Rolle des „objektiven“ Fotojournalismus im Krieg.

Nach sechs Monaten Völkermord in Gaza, in denen heldenhafte Journalisten ihr Leben riskiert haben, um über die täglichen Verbrechen der israelischen Regierung zu berichten, die von den USA und ihren Verbündeten unterstützt wird, ist auch die Behauptung der Dunst-Figur, neutral und objektiv zu sein, während sie Zivilisten fotografiert, die in Massengräbern verscharrt oder in die Luft gejagt werden, während sie um Wasser betteln, nicht mehr haltbar.

Insgesamt scheitert „Civil War“ völlig daran, dass zu erreichen, was eine fesselnde Prämisse sein könnte.

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