Perspektive

Unterdrückung von Uni-Protesten in den USA:

Die Demokraten zeigen einmal mehr die Krallen

In den letzten Tagen haben sich die amerikanischen Universitäten in Schauplätze gewaltsamer Übergriffe der Polizei auf Studenten verwandelt. Junge Menschen demonstrieren friedlich gegen den anhaltenden israelischen Völkermord in Gaza, der vor nicht einmal sechs Monate begann und schon jetzt eines der grausamsten Verbrechen in der Geschichte ist. Protestierende wurden reihenweise verhaftet, inzwischen vielleicht insgesamt 1.000.

Die Polizei erschien in Kampfausrüstung und zu Pferd. Scharfschützen wurden auf den Dächern der Unis postiert. Polizisten beschossen Studenten mit Taser-Munition. An der Emory University wurden Professoren, die sich schützend vor die Studenten stellten, gewaltsam festgenommen.

Ein Polizeibeamter bei der Festnahme eines Demonstranten auf dem Campus der Emory University am Donnerstag, 25. April 2024, in Atlanta (Georgia). (AP Photo) [AP Photo/Mike Stewart]

Spielten sich diese Szenen beispielsweise im Iran ab, so würden die amerikanischen Medien durchgehend darüber berichten und eine „humanitäre Intervention“ zum Schutz der Demonstranten fordern. Doch geschieht dies in Amerika. Daher denunzieren die Medien und die Politiker die Studenten, die friedlich gegen den Massenmord protestieren, als „Antisemiten“. Die krude und durchsichtige Argumentation, die einem Amalgam entspricht, lautet: der Widerstand gegen Israels ethnische Säuberung Palästinas ist Antisemitismus.

Die Propaganda und das brutale Durchgreifen der Polizei werden vom Oval Office im Weißen Haus aus organisiert. Als US-Präsident Biden am Montag, 22. April, bei einer Pressekonferenz zu den Demonstrationen befragt wurde, sagte er: „Ich verurteile die antisemitischen Proteste“. Einen Tag zuvor gab Biden eine Pressemitteilung heraus, in der es hieß: 'Antisemitismus muss verurteilt werden und hat keinen Platz auf dem Campus“. Weiter kündigte er den Aufbau einer neuen Polizeibehörde zur Überwachung der Universitäten an. Seine Pläne stehen unter dem orwellschen Motto: „Nationale Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus“. Dann versprach er, „die gesamte Kraft der Bundesregierung zum Schutz der jüdischen Gemeinschaft“ einzusetzen.

Bidens angebliche Besorgnis über Antisemitismus wird durch die Tatsache entlarvt, dass das Weiße Haus bei der Zerschlagung des Widerstands gegen Israels Völkermord mit den wirklichen Antisemiten der Republikanischen Partei aufs Engste zusammenarbeitet. Zu Bidens Verbündeten zählen die Verfechter der „Theorie des großen Austauschs“, laut der eine jüdische Verschwörung existiere, mit dem Ziel, weiße Christen in Amerika zu eliminieren. Darüber hinaus liefert Biden Mordmaschinerie im Wert von zig Milliarden Dollar an eine ukrainische Regierung, die Stepan Bandera als ihren größten Nationalhelden feiert, dessen ukrainische Anhänger sich an Hitlers Massenmord an den osteuropäischen Juden beteiligten.

Natürlich werden außerordentliche Anstrengungen unternommen, um eine Trennlinie zwischen Biden und seine eigene Politik zu ziehen und das absurde Märchen zu verbreiten, dass er auf irgendeine Weise dazu gebracht werden könne, genau den Protesten „Gehör zu schenken“, die er zu unterdrücken versucht. Das ist eine Spezialität von Organisationen wie den Democratic Socialists of America, die in Wirklichkeit bloß eine Fraktion innerhalb der Demokratischen Partei sind. Doch der wirkliche Charakter der Biden-Regierung sowie dessen, wozu sie bereit ist – nämlich die Demokratie im Namen ihrer Rettung zu zerstören –, ergibt sich nicht aus dem, was ihre linken Anhänger über sie glauben wollen. Er ergibt sich vielmehr aus den Klasseninteressen, die die Demokratische Partei tatsächlich vertritt, und nicht zuletzt aus der gesamten Geschichte dieser Partei.

Die Demokraten sind die älteste kapitalistische Partei der Welt. Während sich einige ihrer langjährigen Merkmale bereits im Bürgerkrieg herauskristallisiert hatten, etwa die Verbreitung von Rassenideologie zur Manipulation der Arbeiterklasse, entstand die moderne Demokratische Partei etwa in der Mitte zwischen dem Zeitalter ihres „Gründervaters“ Andrew Jackson in den 1820er und 1830er Jahren und der heutigen Regierung Biden, während der Regierung von Woodrow Wilson (1913-1921). Zu diesem Zeitpunkt mauserte sich die Demokratische Partei zur bevorzugten Partei des amerikanischen Imperialismus. Dies wird durch die Tatsache unterstrichen, dass über Jahrzehnte hinweg jeder größere Krieg unter einem Demokraten im Weißen Haus begonnen wurde: Der Erste Weltkrieg (Wilson), der Zweite Weltkrieg (Franklin Roosevelt), der Koreakrieg (Harry Truman) und der Vietnamkrieg (John F. Kennedy und Lyndon Johnson).

Diese großen Kriege machten es erforderlich, dass die Wirtschaft umorganisiert und die Arbeiter diszipliniert wurden. Die entscheidende Rolle spielte dabei stets die Gewerkschaftsbürokratie, die, um eine Formulierung Trotzkis aufzugreifen, in den USA gerade in Kriegszeiten „in die eiserne Umarmung durch den imperialistischen Staat fiel“, d. h. in die Umarmung durch die Demokraten. Während des Ersten Weltkriegs versuchte der Gründer eines der großen amerikanischen Gewerkschaftsbünde American Federation of Labor (AFL), Samuel Gompers, US-Präsident Wilson diesen Dienst zu erweisen. Walter Reuther, einer der wichtigsten Führer der Autoarbeitergewerkschaft United Auto Workers (UAW), und viele andere Gewerkschaftsführer taten dasselbe für Roosevelt, Truman, Kennedy und Johnson. Shawn Fain von der UAW ist gegenwärtig damit beschäftigt, für diese Rolle vorzusprechen.

Die großen Kriege des 20. Jahrhunderts verlangten zudem nach der Durchsetzung einer militaristischen Kultur, um die Art und Weise, wie in den USA politisch gesprochen und gedacht wurde, zu kontrollieren. Der wesentlich größere Einfluss der Demokraten auf die liberale Intelligenz und die Unterhaltungsindustrie sorgte dafür, dass sie für diesen Zweck geeigneter waren als die Republikaner. Wie Randolph Bourne es 1917 während des Ersten Weltkriegs formulierte, war es die Aufgabe der Intellektuellen, „die Schleusen“ zu öffnen, aus denen sich „die Abwässer des Kriegsgeistes über uns ergossen“.

Doch die Ergebenheit der Gewerkschaftsbürokratie und der Intellektuellen gegenüber dem imperialistischen Krieg, die nur über die Demokratische Partei vermittelt werden kann, hatte stets eine dunkle Seite – ausgemachte Unterdrückung. Während des Vietnamkriegs erweiterten die Regierungen Kennedy und Johnson die geheime Organisation COINTELPRO massiv, deren Hauptzweck in der Zerschlagung von Antikriegsorganisationen bestand. Im Zweiten Weltkrieg benutzte die Roosevelt-Regierung die Bestimmungen des antidemokratischen Smith Act, um die Opposition gegen den Krieg im Inland zu kriminalisieren und dabei fast die gesamte Führung der Socialist Workers Party wegen Aufwiegelung zu verfolgen – mit Ausnahme von Joseph Hansen, der sich später als FBI-Spitzel entpuppte.

Doch der Präzedenzfall für alles, was folgen sollte, war die massive Operation der Wilson-Regierung zur Unterdrückung des Widerstands gegen den Ersten Weltkrieg. Der Espionage Act (Spionagegesetz), der unter Wilson verabschiedet wurde, heute immer noch in Kraft ist und wahrscheinlich die Grundlage für ein juristisches Vorgehen gegen Julian Assange bilden wird, verschob den Widerstand gegen den Krieg praktisch in den Bereich des Illegalen. In dem Gesetz wurde erklärt, dass solche Aktivitäten die Operationen des Militärs beeinträchtigen würden. Der Espionage Act diente dazu, Eugene Debs, den Begründer des amerikanischen Sozialismus, strafrechtlich zu verfolgen und ins Gefängnis zu stecken, weil er sich in seiner berühmten Rede in Canton (Ohio) im Jahr 1918 gegen den Kriegseintritt der USA ausgesprochen hatte.

Eugene Debs bei seiner Rede gegen den Ersten Weltkrieg am 16. Juni 1918 in Canton (Ohio). Für seine Äußerungen wurde er auf Grundlage des Spionagegesetzes inhaftiert.

Auf Basis des Spionagegesetzes und ähnlicher Gesetze auf bundesstaatlicher Ebene wurden Hunderte von Sozialisten und Gewerkschaftsaktivisten inhaftiert. Die ausländische Presse war verpflichtet, dem Postmaster General übersetzte Exemplare aller ihrer Veröffentlichungen vorzulegen. Die Wilson-Administration machte eine Bürgerwehr, die American Protective League, die gewaltsam gegen Streiks und radikale Organisationen vorging, praktisch zu einer halboffiziellen Organisation. Diese Taktiken wurden auch nach dem Krieg fortgesetzt, angeführt und organisiert von der American Legion und dem Ku-Klux-Klan. Radikale Einwanderer wurden besonders ins Visier genommen und in den Monaten nach dem Krieg wurden im Rahmen von Wilsons „Palmer-Razzien“ (Palmer raids) Tausende von ihnen festgenommen und Hunderte deportiert.

Das entscheidende Problem, mit dem Wilson damals und Biden heute konfrontiert ist, besteht darin, eine Annäherung der Arbeiterklasse an die Kriegsgegner zu verhindern. Trotz aller Bemühungen des Gewerkschaftsführers Gompers sah sich Wilson mit der größten Streikwelle in der amerikanischen Geschichte konfrontiert. In den Jahren 1917 und 1918 legten über 1 Million Arbeiter die Arbeit nieder und 1919 streikten 4,5 Millionen. Zur gleichen Zeit übernahm die bolschewistische Revolution in Russland die Macht und erklärte unter Lenin und Trotzki „dem Krieg den Krieg“. Unter diesen Bedingungen war Wilsons Programm staatlicher Unterdrückung ein verzweifelter, nur teilweise erfolgreicher Versuch, den Einfluss des Sozialismus auf die Arbeiterklasse abzuwehren.

Wie die Wilson-Regierung vor ihr versucht die Biden-Administration, die Opposition gegen den Krieg zu blockieren. Sie fürchtet, dass sich diese Opposition mit der wachsenden Bewegung der Arbeiterklasse verbinden könnte. Doch Biden tut dies unter ganz anderen Bedingungen.

Zu Wilsons Zeiten war der amerikanische Kapitalismus auf dem Vormarsch. Das ist vorbei. Jahrzehntelang hat der amerikanische Kapitalismus versucht, seinen langfristigen wirtschaftlichen Niedergang durch eine immer gewalttätigere Durchsetzung seiner militärischen Vorherrschaft auszugleichen. Seit der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 haben Washington und seine Stellvertreter eine ununterbrochene Reihe von Kriegen geführt: Irak, Somalia, Serbien, Afghanistan, Jemen, Libyen, Syrien, Ukraine und Gaza, um nur die blutigsten zu nennen. Diese Kriege haben Millionen von Menschen getötet und vertrieben, Billionen von Dollar gekostet und die amerikanische Kultur und das geistige Leben vergiftet. Und doch haben sie den Niedergang der amerikanischen Wirtschaft nur beschleunigt. Heute steht sogar der Status des Dollar als Weltreservewährung in Frage.

Und es ist jetzt klar, dass diese Kriege, deren Schauplätze sich als Bogen um Eurasien mit einem geografischen Zentrum im Nahen Osten ziehen, Vorbereitungen für einen dritten Weltkrieg waren, der tatsächlich bereits in sein Anfangsstadium eingetreten ist.

In einem Perspektivartikel zur Unterzeichnung eines weiteren gewaltigen Kriegs-Finanzpakets durch Biden schrieben wir zuletzt:

Durch die Verknüpfung der Kriegsausgaben für die Ukraine, Israel und Taiwan in einem einzigen Gesetzentwurf wird deutlich, dass die Regierung Biden und die Herrschenden in den USA insgesamt diese Konflikte nicht als getrennt betrachten. Es handelt sich um verbundene Schauplätze in einem globalen Krieg. Der amerikanische Imperialismus kämpft an einer breiten Front, die sich vom Arktischen Ozean bis zum Schwarzen Meer, durch den Nahen Osten und Zentralasien bis hin nach China und zum Pazifik erstreckt.

Zwischen den Demokraten und den Republikanern existiert kein wesentlicher Unterschied mehr – lediglich in der Art und Weise, wie das Programm für Weltherrschaft präsentiert und umgesetzt werden soll.

Es ist daher dringend erforderlich, dass die jungen Menschen, die gegen den Völkermord protestieren, die notwendigen politischen Konsequenzen ziehen. Sie müssen sich ein für alle Mal von der Demokratischen Partei und den um sie herum gruppierten politischen Kräften lossagen. Sie müssen sich bewusst an die revolutionäre Kraft wenden, die sowohl die Mittel als auch die Motivation hat, den Krieg und das kapitalistische System, das ihn hervorbringt, zu beenden: die amerikanische und internationale Arbeiterklasse.

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